Moses war zweifellos eine bemerkenswerte Persönlichkeit.
Manager in der Wirtschaft geben heute viel Geld für Unternehmensberater
aus, die den Mitarbeitern eine Firmenkultur, Motivation und über allem
eine Vision vermitteln sollen. Dieses Geld wäre anders besser
angelegt, denn eine Kultur, die ein Führer nicht selbst vorlebt und
eine Vision die er nicht selbst vermitteln kann, haben keinen Bestand.
Moses wusste das. Daher zog er seinen Berater nur unterstützend
hinzu, stattete diesen aber mit besonderen Vollmachten aus, der Lizenz
zum Töten beispielsweise. Moses bemühte sich sicher um ein ausgewogenes
Verhältnis von Zugmotivation und Druckmotivation. Druckmotivation
ist heute, zumindest offiziell, verpönt. Aber sie hat Wirkung. Die
von Moses vorgesehenen Strafmassnahmen für Abtrünnige, Andersdenkende
oder Gegner darf man nicht an heutigen Moralvorstellungen messen. Sie waren
auf das Verständnis eines auch vor 3500 Jahren (als babylonische
Mathematiker schon quadratische Gleichungen lösten) vergleichsweise
primitiven Nomadenvolkes zugeschnitten. Nur ein furchterregender, strafender,
schrecklicher, also vermenschlichter Jahwe, ein Kriegsgott, konnte
die Nomadenhorden beeindrucken. (Die vor 3500 bis 3000 Jahren in Indien
entstandenen Vorstellungen von der Welt und deren Ursprung waren bereits
sehr viel anspruchsvoller formuliert worden).
Ein Problem beim Übergang zum Monotheismus lag in der Bündelung
der bis dahin verteilten Zuständigkeiten (Kriegsgötter hatten
ebenso ihren eigenen Zuständigkeitsbereich, wie ein Gott der Liebe).
Hier
wird deutlich, dass der verschiedene Rollen spielende, alttestamentarische
Gott aus der Zusammenfassung mehrerer Götter entstehen musste. Der
Übergang vom Polytheismus zum Monotheismus erfolgte im Nahen Osten
schrittweise.
Charles Panati (s.
Literaturverzeichnis) stellt fest: "Der Gott der hebräischen Bibel,
des Tenach, ist nun allerdings ein auffälliger Fall von multipler
Persönlichkeit. Er leidet in hohem Masse unter einer Persönlichkeitsspaltung.
Ausserdem auch an heftiger Paranoia, Mangel an Selbstwertgefühl, diffuser
Wut, Rachsucht und einer krankhaften Liebe zum Krieg. Er nimmt verschiedene
Rollen ein, erscheint mal als freundlicher Befreier und dann als strenger
Gestzgeber, mal als massvoller Schiedsrichter und dann wieder als völkermordender
Kriegsherr gegen die Ungläubigen. Ganz gewiss ist er nicht der grundgütige,
mitfühlende Allmächtige späterer Zeiten, kein lieber Gott."
Erst Jahrhunderte später mutierte Jahwe schliesslich zu
einem Gott der Nächstenliebe, ohne jedoch die Vorliebe für Strafmaßnahmen
aufzugeben.
Aber die dekorative Art des Tötens von Menschen, ganzer Familien
und Volksgruppen liegt den Menschen wohl immer noch. Es ist heute nur meistens
verboten und kann nicht mehr einfach in Gottes Namen unter Berufung
auf dessen Güte und Gerechtigkeit durchgeführt werden.
Die Zeiten ändern sich. (Aber Vorsicht ist auch weiterhin
geboten!)
Zurück zu Moses: Man kann davon ausgehen, dass Moses sein
Konzept gründlich ausgearbeitet hatte, nichts dem Zufall überlassend.
Es war in die damalige Kultur eingepasst, nicht aufgesetzt. Die Einbeziehung
der bereits bekannten Mythen und Wunder diente den neuen kulturellen Elementen
als Anker. Diese der Allmacht des neuen Beraters (ganz neu war er nicht,
er war schon als Vulkangott bekannt geworden) zuzuordnen, war genial.
Die bisherigen Götter, Geister und Dämonen waren abgenutzt, hatten
Kraft und Wirkung verloren. Die Wunder wirken noch heute, obwohl inzwischen
rationale Erklärungen zur Verfügung stehen. Viele Wunder wurden
schon damals als Märchen vermittelt, aber auch Märchen faszinieren
uns bis heute.
Moses nutzte das in Ägypten vorhandene detaillierte Wissen über
Land und Leute, vor allem über das Land Kanaan. Er wusste sicher,
dass er bei der Eroberung des Landes nur ein geringes Risiko einging.
Lebte Moses heute, hätte er vielleicht ein erfolgreiches,
bzw. das weltweit erfolgreichste, Industrieimperium aufgebaut. Seine Fähigkeiten
wären gefragt wie nie. Bei Bedarf hätte
er vermutlich Berater hinzugezogen. Wer nicht mitspielt, bleibt am Leben,
er wird nur entlassen. Quasi im Namen des Beraters.