Wir neigen dazu, andere Auffassungen für falsch zu halten,
schliesslich halten wir ja unsere Meinung für richtig und wollen
diese verbreiten. Wir haben ein gespanntes Verhältnis zu Begriffen,
wie "wahr" und "unwahr", bzw. "richtig" und "falsch",
bzw. verwenden diese gerne aus einer sehr subjektiven Perspektive.
Wir machen uns zum Massstab. Warum das so ist, wurde in anderen Kapiteln
beschrieben.
Aber wir gehen noch weiter. Wir sind auch schnell dabei, Andersdenkende
für dumm zu halten. Das mag ja auch in manchen Fällen
zutreffen, weil bzgl. der Intelligenz die natürliche Verteilung zugrunde
gelegt werden muss, wie im Kapitel Die Normalverteilung
ausgeführt wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass es ausschliesslich
Andersdenkende gibt, denn nicht nur jeder genetische Fingerabdruck ist
einmalig, auch der geistige, unsere Denkstrukturen, selbst bei eineiigen
Zwillingen.
Weil unser geistiger Horizont grundsätzlich beschränkt ist,
wäre eigentlich nichts dabei, einen anderen für beschränkt
zu halten. Man hält diesen natürlich für noch beschränkter
als sich selbst, bzw., empfindet man sich selbst nicht als beschränkt.
Der Wissenschaftler Goethe schrieb 1785: Wir können nur Dinge
denken, die entweder beschränkt sind oder die sich unsere Seele beschränkt.
Wir haben also insofern einen Begriff vom Unendlichen, als wir uns denken
können, daß es eine vollständige Existenz gebe, welche
außer der Fassungskraft eines beschränkten Geistes ist.
Wir sind also alle geistig beschränkt, nur fällt es mitunter
schwer, die eigenen Grenzen zu erkennen, was dann zu einem diesbezüglich
auffälligen Verhalten führen kann. Ich spreche daher in den folgenden
Abschnitten ausschliesslich von diesen Fällen.
Ferner verwende ich folgende Begriffe, die gerne aus der subjektiven
Perspektive benutzt werden und die es aus objektiver Sicht zu beleuchten
gilt:
a) Wir kennen Menschen, die sich innerhalb eines engen geistigen Horizontes bewegen, aber davon ausgehen, dass ihnen die Dinge an sich weitgehend klar seien. Sie leisten im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben das, was man erwartet. Bezeichnet man solche Zeitgenossen als beschränkt, so stösst dies auf Unverständnis, ruft Empörung hervor oder löst körperliche Gewalt aus (sofern die Verhältnisse dies zulassen). Man fühlt sich in der Ehre verletzt. Je bescheidener die geistige Ausstattung, desto mehr hält man sich an der Ehre fest. Im Extremfall tötet man bei Verletzung der Ehre, insbesondere dann, wenn dies durch eine religiös geprägte Kultur gestützt wird und somit als gerecht empfunden wird und nicht durch vernunftbasierte, erworbene Fähigkeiten kompensiert werden kann. Dieses Verhalten ist daher bei manchen Menschen aus südosteuropäischen Ländern und aus dem Nahen Osten besonders ausgeprägt und wird durch Einwanderung auch in unseren Kulturkreis importiert. Der hier beschriebene Personenkreis steht von vornherein für komplexe Diskussionen nicht zu Verfügung.
b) Geistige Verwirrung kann ebenfalls subjektiv und objektiv festgestellt werden. Wir gewinnen diesen Eindruck, wenn ein Diskussionspartner keine klare Linie erkennen lässt, sich selbst widerspricht, Tatsachen nicht zur Kenntnis nehmen will und seine Positionen dennoch energisch vertritt. Geistige Verwirrung kann auch altersbedingt oder durch ein schweres, nicht zu bewältigendes Schicksal hervorgerufen werden. Geistige Verwirrung ist im gewissen Rahmen nicht besorgniserregend (man denke an den "zerstreuten Professor"), kann aber durch starke geistige Beschränkung verstärkt werden und bei starker Ausprägung durch Wahnvorstellungen ergänzt zu objektiv feststellbaren krankhaften Zuständen führen.
c) Geisteskrankheiten werden zwar auch leichtfertig aus subjektiver
Sicht bescheinigt, jedoch sollte man hier um Objektivität bemüht
sein. Hier werden nur solche Verhaltensstörungen betrachtet, die auf
den ersten Blick nicht bemerkbar werden, sondern sich erst im Dialog zeigen,
wenn Standpunkte aufeinanderprallen und Begründungen gesucht werden.
Diese Verhaltensstörungen implizieren im allgemeinen die vorgenannten
Merkmale (a und b).
Um eine Lokalisierung zu erleichtern, habe ich zunächst zwei Begriffsdefinitionen
aus dem Lexikon übernommen:
Wahn(vorstellungen):
In der realen Umwelt unbegründete, mit dem Merkmal
der subjektiven Überzeugung ihres Trägers ausgestattete Vorstellung
, die weder durch Erfahrung noch durch zwingende Logik korrigiert werden
kann.
Paranoia:
Manifestation von systematisierten Wahnideen bei sonst
erhaltener Klarheit des Denkens, Handelns und Wollens. Die Ausbildung des
Wahnsystems erfolgt schleichend und in den Anfängen meist unbemerkt;
sie ist kaum zu beeinflussen oder zu korrigieren.
Im Zusammenhang mit dem Thema dieser Seite kann noch auf den
religiösen
Wahn (der uns am 11.9.01
auf entsetzliche Weise deutlich gemacht wurde) und
den Querulantenwahn als typische Ausprägung
hingewiesen werden.
Wobei selbstverständlich die Schlüsselbegriffe (Logik, Intelligenz,
usw.) nicht frei definiert, sondern im Rahmen der festgeschriebenen Definitionen
verwendet werden müssen.
Liest man die vorstehenden Definitionen sorgsam durch, so wird man,
vor allem im Zusammenhang mit dem Kapitel Wissenschaft
und/oder Religion und der darin angeführten Beispiele, einiges
wiederfinden.
Aber nicht nur religiöse Fundamentalisten führen verbale
Abwehrschlachten gegen Andersdenkende, man findet dieses Verhalten auch
bei fundamentalistischen Vertretern politischer Glaubenssysteme und bei
einigen Vertretern wissenschaftlicher Sichtweisen. Bei letzteren besonders
dann, wenn diese von ihren bisherigen Veröffentlichungen und Vorträgen
leben.
Andersdenkende als "Lügner" zu bezeichnen, (was ich
bisher nur bei Kreationisten gefunden habe), ordne ich aber schon den
Wahnvorstellungen zu.