Mit dem folgenden Beitrag wird versucht, den in unserer Gesellschaft
(Deutschland) beobachteten Umgang mit den sogenannten
Weltbildern
darzustellen.
Ca. zwei Drittel der Bevölkerung sind, mit weiter abnehmender
Tendenz, Mitglieder der christlichen Kirchen. Die Anzahl der getauften
Christen liegt etwas höher. Sie haben lange vor der
sogenannten
Religionsmündigkeit das Christentum aus Sicht der Kirchen
vermittelt
bekommen. Basis ist bekanntlich die Bibel. Auch in Abhängigkeit
von
der Region, - im ländlichen Umfeld sind religiöse Riten in
das
Brauchtum eingeflossen - wurde die religiöse Erziehung durch das
Elternhaus
und das örtliche Umfeld ergänzt. Aufgrund dieser
frühkindlichen
Prägung kann angenommen werden, dass die meisten Menschen aus
dieser
Gruppe mindestens Fragmente der christlich-religiösen
Weltsicht
beibehalten haben, wenn auch in einigen Fällen nur mit
Rücksicht
auf die Eltern. Das Spektrum der religiösen Durchdringung reicht
sicher
von 0 bis 100 Prozent, (bezogen auf alle getauften Christen)
mit
einer sog. Normalverteilung. Das heißt, wenige im Bereich
80-100%,
wenige bei 0-20%.
Das Mittelfeld (20-80% religiöse Durchdringung): Der größte Teil der Bevölkerungsgruppe der getauften Christen hätte demnach ein Weltbild mit christlichen Komponenten. In der Praxis könnte das wie folgt aussehen: Man besucht gelegentlich einen Gottesdienst, hat aber bezüglich Adam und Eva oder anderer biblischer Wunder eine von der Bibel abweichende Auffassung oder den sehr verbreiteten "weiß nicht"- Standpunkt. Es kann angenommen werden, das keine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Thema stattfindet. Berührungsängste sind (aufgrund der frühkindlichen Prägung ) geblieben, das Thema wird häufig wie eine heiße Kartoffel behandelt. Das Weltbild ist oberflächlich. Unangenehmes wird verdrängt oder gar nicht gewusst, man weiß, dass in der Bibel das Thema Nächstenliebe abgehandelt wird. Man fühlt sich als Christ, ist aber vermutlich nicht das, was man bibelfest nennt. Albert Schweizer machte dazu folgende Feststellung: "Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in einer Garage steht."
Bei der Gruppe 80-100% sind auch die vielen Gruppen der getauften Christen zu nennen, die ihre Religion auf der Grundlage der Bibel ausserhalb der Kirchen praktizieren und sich aus bekannten aber auch unterschiedlichen Gründen mehr oder weniger stark von den Kirchen distanzieren.
Die Gruppe 0-20% , in der auch die aus den Kirchen Ausgetretenen enthalten sind, geht nahtlos in den immer größer werdenden Teil der Bevölkerung über, der außerhalb einer Kirche erzogen worden (also nicht getauft) ist. Aus Sicht der Kirchen sind die letzteren keine Christen. Dazu ein Zitat, dessen Verfasser mir entfallen ist: Es gibt so viele schlechte Christen in der Kirche, warum soll es nicht auch gute Christen außerhalb der Kirche geben.
Kommen wir nun zu den (von den Christen sogenannten) Atheisten,
also den Menschen, die nicht an einen, bzw. den in der Bibel
beschriebenen
Gott glauben wollen. In Deutschland ist diese Gruppe aufgrund des
Beitritts
der ehem. DDR größer als in anderen Ländern
Westeuropas.
Nach einer FOCUS - Umfrage (FOCUS Nr.14, 3.4.99)
glauben 65% der Deutschen (Ost=30%, West=74%) an
einen
Gott, aber nur 12% meinen den biblischen. Durch die hohe Zahl der
Kirchenaustritte
steigt mit der Zeit der Anteil der Atheisten weiter an, weil nur
relativ
wenig Menschen, die nicht in eine Kirche hineingeboren werden,
später
in eine Kirche eintreten. Dieser Bevölkerungsteil gehört
trotzdem
der sog. christlichen Kulturgemeinschaft an. Man feiert Weihnachten
(dessen
Ursprung mit dem Christentum nichts zu tun hat) als Familienfest, als
Fest
der Besinnung, genießt die übrigen christlichen
Feiertage
und beachtet die moralischen Gebote des Zusammenlebens, auch ohne die
Bibel
gelesen zu haben. Auch hier paßt ein Zitat aus Goethes Faust: Ein
guter Mensch in seinem dunkeln Drange ist sich des rechten Weges wohl
bewußt.
Und
wer noch mehr will:
Wer immer strebend sich bemüht, den können
wir erlösen.
Eine Allensbach-
Umfrage von 1996 brachte folgende
Ergebnisse:
22% der Befragten
lehnten die Vorstellung von
der biologischen Evolution ab (Bundesbürger über 16 Jahre).
Fast genau so groß ist die "weißnicht"- Fraktion.
Die
Zustimmung (also für die wissenschaftliche Sicht) ist in
der
Altersgruppe 16-29 Jahre mit 75% am größten und nimmt bei
den
über 60-jährigen auf 52% ab.
Individuelle Weltbilder
Einige der sogenannten Atheisten suchen Kontakt zu Religionen
aus dem fernöstlichen Kulturkreis, die, sich friedlich und
tolerant
darstellend, seit vielen Jahren Zulauf aus dem westlichen Lager
verzeichnen
und sich aufgrund ihres philosophischen Charakters sehr gut für
eine
Symbiose mit dem wissenschaftlichen Weltbild eignen. Toleranz ist
zweifellos
eine der wichtigsten Merkmale einer Gesellschaft und in manchen
Religionen
nur mit Einschränkungen oder gar nicht zu finden.
"Der Buddhismus ist eine
Religion
für späte Menschen, für gütige, sanfte,
übergeistig
gewordne Rassen, die zu leicht Schmerz empfinden (Europa ist noch lange
nicht reif für ihn -): er ist eine Rückführung derselben
zu Frieden und Heiterkeit, zur Diät im Geistigen, zu einer
gewissen
Abhärtung im Leiblichen." (Friedrich Nitzsche in "Der
Antichrist").
Andere Menschen erarbeiten sich ihr Weltbild nach
eigenen
Vorstellungen und nach den Maßstäben der Vernunft, des
kritischen Denkens
bzw. des Humanismus bzw. auf der Basis der
von den Philosophen entworfenen Denkmodelle. Mit den Problemen dieser
verschiedenen
Sichtweisen befasst sich Paul Moser in seinem Büchlein Spielregeln
des Universums.
Individuelle Weltbilder können aber auch
ganz unkonventionellen, selbstentwickelten Thesen folgen, bzw. diese
zur
Diskussion stellen. Ein Beispiel dazu finden Sie bei Reinhold
Kiebart:
Ein neues Weltbild für das 3. Millennium (externe Adresse).
Ein breites Spektrum von natürlichen (ererbten)
Verhaltensmustern und erworbenen Fähigkeiten bietet jedem
Individuum
die Gestaltungsmöglichkeiten für das, was wir ein
erfülltes
Leben nennen. Auch hier hat die Natur durch die Auswahl von
Eigenschaften
und deren differenzierter (individueller) Ausprägung
sichergestellt,
daß sämtliche Plätze und Nischen der Kulturgesellschaft
besetzt werden können.
Das wissenschaftliche Weltbild verweigert auf den
ersten Blick jegliche Form des seelischen Beistandes, dessen wir mehr
oder
weniger und auch situationsbedingt bedürfen. Die Erkenntnis,
daß
das Übermächtige, das wir ab und zu befragen möchten in
uns selbst verborgen ist, fällt schließlich nicht vom
Himmel.
Verborgen heißt, nicht ohne weiteres fühlbar. Nur wenigen
Menschen
ist es vergönnt, diesen Weg ohne Hilfe und zeitlich aufwendiges
Üben
zu finden. Das Ergebnis ist mit dem vergleichbar, das man im
asiatischen
Kulturkreis den Erleuchteten
nennt. Unsere Industriekultur und Leistungsgesellschaft
bietet denkbar schlechte Rahmenbedingungen für diesen Weg. Wir
alle
kennen aber das große Industrieland, in dem Seelentherapeuten
seit
Jahren Hochkonjunktur haben.
Ohne sich der vorgenannten Zusammenhänge bewußt
zu werden, kann dieses Ziel (dieser Weg) auch durch ein Gebet,
eine
stille Andacht erreicht werden. Die Natur hat uns auch hier wieder
mehrere
Möglichkeiten mitgegeben. Auch der Ort der Besinnung kann
maßgeblich
sein. Das Innere einer (leeren) Kirche oder ein Platz in der
Natur
kann in vielen Fällen eher ein geeignetes Umfeld bieten als das
Sofa
zu Hause. Also kann die bloße Zuwendung zum wissenschaftlichen
Weltbild
vielleicht doch nicht alle seelischen Bedürfnisse der
Menschen
befriedigen?
Es ist aber kein Widerspruch, im Rahmen des modernen
wissenschaftlichen
Weltbildes Passagen aus der Bibel interpretierend hinzuzuziehen, was
sich
keinesfalls auf die 10 Gebote beschränken muß. Die Bibel ist
in großen Teilen auch ein Werk der Philosophie. Wir benutzen
täglich
Sprüche aus der Bibel und haben vielleicht deren Ursprung
vergessen
(z.B.
Wer eine Grube gräbt, kann hineinfallen. Wissen ist besser
als
Macht.)
Wer Jesus als Symbol begreift, muss sich nicht mit dessen
geschichtlicher
Glaubwürdigkeit auseinandersetzen. Wer Gott entpersonifiziert,
sich
auf der Suche nach diesem nach innen wendet, der folgt seinem
Glaubensbedürfnis
und steht trotzdem mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität (Zwei
Seelen wohnen, ach, in meiner Brust, klagte schon Goethes Faust).
Vorgehensweisen, die wir auch bei philosophischen Denkmodellen oder im
ZEN finden.
Ehrfurcht, Demut und Dankbarkeit angesichts der Schöpfung ist sicher angebracht - aber Gottesfurcht? Warum eigentlich?
Worin besteht nun der Sinn des Lebens?
In der Chance, unsere geistigen Fähigkeiten zu nutzen und dem
Leben einen Sinn zu geben. Die Natur hat unserem Leben keinen Sinn mit
auf dem Weg gegeben (nur einen Zweck), aber sie hat uns mit den
Fähigkeiten ausgestattet, diesem einen individuellen Sinn (nach
Wunsch!) zu geben. Nicht irgend einen Sinn, sondern den, den wir
wollen,
der für uns gut ist! Aber das liest sich nur so einfach, denn es
gibt
eine Hürde zu überwinden: Wir müssen erst die
Grundbedürfnisse
des Lebens erfüllen (wir sind der Natur etwas schuldig),
ehe
wir uns der Kür zuwenden können. Und
in
Anlehnung an einen in meiner Schulzeit oft gehörten Satz (vermutlich
im Chemieunterricht):
Denken und Glauben sind die private
Angelegenheit
jedes einzelnen Menschen. Kirche und Staat sind daher zu trennen (in
Bayern gehen bekanntlich auch die Uhren anders). Der Streit um das
Kreuz bzw. Kruzifix im Klassenzimmer ist hinreichend bekannt
gewroden.
Das Kreuz - das Symbol der (grausamen und heuchlerischen)
Kreuzzüge
- als sichtbares Zeichen christlicher Ethik? (Aber das Kopftuch in
der
Schule - ein friedliches religiöses Symbol - erregt Anstoß).
Was würde man sich wohl um den Hals dekorieren, wenn die
Römer
vor 2000 Jahren ihre Verurteilten aufgehängt - oder mit einem Beil
bedient hätten? Das Kreuz ist kein Produkt des Christentums, das
Symbol
ist älter und vielfältig. Warum wird eigentlich nur das
Hakenkreuz
geächtet? (Das ist eine rhetorische Frage, die Antwort ist dem
Verfasser ziemlich klar).
Die Römer haben ihre Verurteilten an einem Pfahl aufgehängt,
was auch im griechischen Original der biblischen Texte nachzulesen ist.
Die Darstellung am Kreuz wurde später erfunden.
Einige Politiker forderten die Installation eines
Kreuzes im Reichstagsgebäude (Bundestag). "Uns und den
Unsrigen
ist das Märchen vom Jesus zum Segen geworden!" (Papst Pius
II.
1458-1464) Ob das wohl der Grund für diese Forderung ist? Oder
glaubt
ein großer Teil der unser Land regierenden Politiker, dass ein
Schöpfer
von 20000000000000000000000 Sternen vor einigen tausend Jahren seinen
Sohn
auf dem Planeten Erde an einem Holzkreuz hängen ließ oder
zur
Freude eines primitiven Hirtenvolkes mit Steinen geworfen hat?
(Jos
10,7-29)